5 G ist nicht nur einfach eine weitere Mobilfunktechnik, sondern wird die Wirtschaft radikal beeinflussen
Bisher nicht gekannte Geschwindigkeiten und extrem kurze Latenzzeiten ermöglichen Anwendungen in Echtzeit auch über große Distanzen hinweg und in unterschiedlichsten Branchen. Die Basis dafür sind die intelligente Nutzung riesiger Informationsmengen, die Steuerung von Maschinen, aber auch Augmented und Virtual Reality
Ausbau und Zeitplan
Die Frequenzen sind versteigert, aber das deutsche 5G-Netz steht noch ziemlich am Anfang eines langen Weges. Zwar können erste Nutzer die Technik bereits einsetzen, doch primär geht es noch darum, die nötigen Grundlagen für den künftigen Ausbau zu legen. Diese sind technischer, aber auch netzpolitischer Natur. Sebastian Solbach, Head of Industry Telecommunication DACH beim IT-Dienstleister NTT DATA, meint dazu: „In Deutschland haben mittlerweile alle Betreiber die Planungsphase verlassen und arbeiten am sukzessiven Netzausbau. Erste Pilotprojekte und Zonen gibt es bereits, etwa in Berlin oder im Wolfsburger Bundesligastadion.“ Einige Unternehmen sammelten auch schon Erfahrungen mit Campus-Netzen. Zuverlässige Zahlen zur momentanen Abdeckung gebe es zwar nicht, bis zur Flächendeckung sei es aber noch ein weiter Weg. „Aktuell wird das 5G-Netz auf das 4G-Core-Netz aufgebaut. Realistisch wird es ein Standalone5G-Netz frühestens 2021 geben“, resümiert Solbach. Vodafone will bis 2021 20 Millionen Menschen in Deutschland Zugang zum 5G-Netz verschaffen. Und die Telekom hat vor, in den nächsten 18 Monaten die 20 größten Städte Deutschlands an 5G anzubinden. Ambitionierte Ziele, die sich womöglich nicht erreichen lassen. „Bei NTT DATA haben wir uns das Ziel gesetzt, noch 2020 ein erstes 5G-Standalone-Campus-Netz aufzubauen“, berichtet Solbach. 5G ist natürlich besonders im industriellen Umfeld von großem Interesse. „Insgesamt sehen wir günstige industrielle Rahmenbedingungen für den Rollout von 5G“, erklärt Lukas Baur, Vice President IoT bei Teamviewer. „Es gibt schon jetzt wachsende private Netze, die die Grundlage für einen Trend zur allgemeinen Verbreitung der Technologie darstellen. Die Verfügbarkeit auf öffentlicher Ebene erwarten wir für Ende 2023 bis Ende April 2025. Um 5G wirtschaftlich für eine breite Öffentlichkeit nutzbar zu machen, bedarf es erst einer kritischen Masse an Branchen, die die Technologie einsetzen.“ Für Dirk Wettig, Client Director Deutsche Telekom bei Cisco Deutschland, bewegt sich alles im grünen Bereich. „Aus unserer Warte läuft der Ausbau von 5G wie geplant. Wir sehen ein ungebremstes Interesse des Marktes, die Möglichkeiten von 5G umzusetzen.“ Im Zuge der 5G-Vorbereitungen müssen Service-Provider ihre Netze so umgestalten, dass sie den erwarteten Traffic-Ansturm bewältigen. Laut dem „Cisco Annual Internet Report“ soll es 2023 weltweit fast 30 Milliarden vernetzte Geräte geben, in Deutschland über 825 Millionen. Fast die Hälfte davon sind dann Mobilgeräte. Jens Kühner, Senior Sales Manager Telco bei Red Hat, sieht 5G noch ganz am Anfang: „Nach wie vor geht es primär um die Evaluierung von Technologien und die Planung konkreter Aktivitäten. Einige Länder sind hier deutlich weiter. Die Netzabdeckung in Deutschland und die Anzahl der verfügbaren Endgeräte sind noch sehr limitiert. Er fordert aber auch: „Alle Unternehmen sollten bereits jetzt prüfen, welche Chancen ihnen die neue Kommunikationstechnologie bietet und welche Vorbereitungen sie treffen müssen, wenn sie unmittelbar davon profitieren wollen. Aus meiner Sicht ist es essenziell, sich über die eigenen Potenziale und Anforderungen klar zu werden und diese mit den Netzanbietern abzustimmen.“
Probleme der Umsetzung
Die Entwicklung der 5G-Technik stellt sich als langwierig heraus. Bürokratische Hürden und technische Schwierigkeiten verzögern die Verbreitung. „Die Hersteller tun sich bis jetzt schwer, reine 5G-Standalone-Netze zu liefern. Bisher sind in der Regel Non-Standalone-Netze in Betrieb, die 4G und 5G kombinieren“, so Sebastian Solbach von NTT DATA. „5G beruht jedoch auf einer völlig anderen Technik als 4G und hat eine kleinere Reichweite. Um das volle Potenzial des neuen Standards auszunutzen, bräuchte man daher deutlich mehr Antennen.“ Zur Verzögerung trägt auch bei, dass die Spezifikation der Technologie noch nicht abgeschlossen ist. „Um einen ausreichenden Funktionsumfang bereitstellen zu können, wird mindestens noch das kommende Release 16 benötigt. Erschwert wird dies nicht zuletzt durch komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren und teils große Bedenken in der Bevölkerung, was sich besonders auf die Standortsuche der Sender negativ auswirkt.“ Zudem ist das Angebot an 5G-Endgeräten noch sehr begrenzt. Und neben dem reinen Netzausbau gibt es noch etliche andere Projekte, die die Anbieter auf Trab halten, etwa das Network Slicing (mehr dazu auf Seite 74). Red-Hat-Manager Jens Kühner stellt den Kostenfaktor in den Vordergrund. „Alleine die Ersteigerung der Frequenzen hat die vier Anbieter in Deutschland fast 6,6 Milliarden Euro gekostet. Hinzu kommen die erheblichen Kosten für den erforderlichen Ausbau der Infrastruktur. So nutzt die 5G-Technologie höhere Frequenzen als die bisherigen Mobilfunkstandards. Dadurch verkürzt sich auch die Reichweite der Antennen, sodass in einem ersten Schritt massenhaft neue Funkmasten aufgestellt werden müssen.“ Auf der anderen Seite sei kaum zu erwarten, dass die Mobilfunknetzbetreiber gegenüber den Kunden deutlich höhere Preise durchsetzen können. „Folglich müssen die Kommunikationsanbieter ihre Betriebskosten reduzieren. Eine Lösung dafür ist die Network Function Virtualization (NFV). Damit lassen sich Netzfunktionen, die bisher fest an Hardware gebunden waren, auf Netzwerk-Cloud-Infrastrukturen ausführen.“ Das Einsparpotenzial liege bei geschätzten 40 bis 60 Prozent. „Eine andere Möglichkeit wäre die Entwicklung neuer Betreibermodelle, bei denen sich mehrere Unternehmen Infrastrukturen teilen. Wichtig ist dabei, dass die virtuellen Netzfunktionen, die auch in Linux-Containern (Container Network Functions – CNF) zur Verfügung stehen werden, weitestgehend unabhängig von der jeweiligen Implementierungsvariante der darunterliegenden Netzwerk-Cloud-Plattform sind. Red Hat nennt diesen Ansatz Multi-Hybrid Cloud.“ Entscheidend für den Erfolg dieses Modells sei die konsequente Automatisierung der Infrastruktur. Sie umfasse nicht nur den Betrieb, sondern den gesamten Lebenszyklus der virtualisierten oder containerisierten Netzfunktionen und der Cloud-Plattform. Lukas Baur von Teamviewer sieht ein Problem in der unterschiedlichen Abdeckung von 5G und 4G. „Es geht um die Frage einer hohen Dichte über kleinere Gebiete und die damit verbundenen Anwendungsfälle sowie die Nutzungsmöglichkeiten bei geringer Dichte über größere Gebiete.“ Zum Beispiel brauche es für den Einsatz in der intelligenten Stadt, etwa für smarte Sicherheitstechnik, eine sehr hohe Bandbreite, was für 5G spreche. Die Einführung der Technologie für ortsbezogene Dienste in ländlichen Gegenden sei dagegen wohl schwerer zu begründen. „Vorhandene Technologien und Systeme werden außerdem bei ereignisgesteuerten Anwendungsfällen, die vor allem im Bereich Konnektivität/IoT zu finden sind, nicht komplett ausgelastet. Der Bedarf an hohem Datenverbrauch und niedriger Latenz ist noch nicht so groß, um ihn durch die Einführung von 5G zu decken.“ Um den Einsatz von 5G wirtschaftlich effizient zu machen, müsse er leicht skalierbar sein. Dazu müssten die Telekommunikations- und Infrastrukturunternehmen umfangreiche Vorarbeiten durchführen. „Jetzt gilt es zu investieren.“