Management Summary
Der gesamte Serviceprozess wird sich künftig viel stärker als heute an den individuellen Bedürfnissen der Kunden orientieren müssen. Nicht ein Prozess für alle, sondern für alle der genau passende Prozess – das ist die Herausforderung für den markengebundenen Aftersales. Die Dimensionen Ort und Zeit für Services werden künftig nicht mehr festgelegt sein, sondern sich in den Lebensalltag des Kunden integrieren. Das fängt schon bei der Terminvereinbarung an, die künftig jederzeit online und auf allen Endgeräten möglich sein muss. Ebenso flexibel muss der Ort der Fahrzeugannahme gehalten sein: selbst im Autohaus vorbeibringen ist nur eine Option von mehreren. Ebenso selbstverständlich ist die Fahrzeugverbringung zur Werkstatt oder die Übergabe an definierten Drop-offPoints in der City. Zeitersparnis für den Kunden durch die Serviceintegration in den Alltag steht an erster Stelle. Fachliche Beratung muss dann auch nicht zwingend in der Werkstatt erfolgen. Per Videoschaltung oder Augmented/Virtual Reality kann der Kontakt mit dem Serviceberater an jedem Ort stattfinden. Digitale Medien machen sogar die gemeinsame Dialogannahme möglich, ohne dass Kunde und Serviceberater am selben Ort sind. Voraussetzung hierfür ist eine neu definierte Partnerschaft zwischen Handel und Fahrzeughersteller. Diese umfasst eine stärkere Vernetzung der IT-Systeme und den Austausch von Informationen über Kunden- und Fahrzeugdaten. Das ist die Grundlage, auf der gemeinsame Lösungen und neue Serviceformate entwickelt werden können. Der Hersteller ist hier in der Rolle des Innovators gefragt, weil er unternehmensübergreifende IT-Lösungen entwickeln und ausrollen kann, die ein Händler alleine nicht realisieren könnte. Das sind zentrale Erkenntnisse der Studie „Megatrend Digitalisierung im Automotive Aftersales – Wie neue Kundenanforderungen den Service der Zukunft beeinflussen“. Im Rahmen der Studie wurden fünf Treiber untersucht, die einen starken Veränderungsdruck im Aftersales ausüben. Um die möglichen Auswirkungen zu konkretisieren, wurde die stärkste denkbare Ausprägung jedes Treibers in eine provokante These gefasst. Im Rahmen der Studie wurden durch Marktforschung und Experteninterviews die einzelnen Thesen bewertet und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft.
1. VERNETZUNG: „REPARATUREN FINDEN VERSTÄRKT OVER-THE-AIR STATT.“
Künftig, so die These, werden Software-Updates Over-the-Air
direkt durch den Hersteller eine größere Rolle spielen. Was
Tesla vorexerziert, wird in großem Maßstab Nachahmer finden.
Bei Updates Over-the-Air werden Daten drahtlos via Funkschnittstelle (WLAN oder Mobilfunk) auf ein Gerät übertragen.
Breite Anwendung findet Over-the-Air heute schon im Bereich
von Smartphones oder anderen mobilen Gadgets. Auch Fahrzeughersteller engagieren sich mehr und mehr in diesem
Bereich. Die Studie zeigt, dass Fahrzeughersteller das Potenzial von Over-the-Air erkannt haben, und alle befragten Hersteller gehen davon aus, dass Reparaturen in Bezug auf Fehlerbeseitigungen und Softwareaktualisierungen künftig über Funkschnittstelle aufgespielt werden. Auch für die Fahrzeugdiagnose losgelöst von Ort und Zeit wird diese Methode zukünftig
interessanter. Trotzdem wird es nach wie vor mechanischen
Service- und Reparaturbedarf geben, den nur die Werkstatt
abbilden kann. Alle befragten Hersteller betonen, dass dadurch
den Werkstätten kein Geschäft verloren geht. Die Mehrheit (55
Prozent) der befragten Händler glaubt ebenfalls, dass künftig
Aktualisierungen der Fahrzeugsoftware oder die Freischaltung
von Services auf Zeit verstärkt Over-the-Air stattfinden werden.
Das hat Auswirkungen auf das gesamte Geschäftsmodell:
71 Prozent der Händler haben erkannt, dass künftig über den
Kanal Over-the-Air digitale Zusatzprodukte direkt durch den
Hersteller vermarktet werden können.
2. TELEMATIK: „MEHR TRANSPARENZ DURCH FAHRZEUGDATEN - DER KUNDE WIRD ZUM EXPERTEN.“
Die Marktforschung hat ergeben, dass sowohl Privat- als auch
Geschäftskunden ein starkes Interesse daran haben, technische
Daten aus dem Fahrzeug selbst zu nutzen, um über den Zustand des Fahrzeugs oder einen Servicebedarf informiert zu
sein. 57 Prozent der Kunden finden diese Möglichkeit interessant. Kunden möchten ihre Fahrzeugdaten nutzen, um selbstständig den Reparaturbedarf einzuschätzen, oder um zu entscheiden, ob eine Beratungsleistung durch den Serviceberater
aus ihrer Sicht überhaupt notwendig ist. 52 Prozent der Privatkunden würden gerne Fahrzeugdaten zu diesem Zweck nutzen.
Autofahrer unterscheiden aber deutlich zwischen technischen
Fahrzeugdaten und Daten zum eigenen Fahrverhalten, die es
erlauben würden, ein persönliches Fahrprofil zu erstellen. Es
bestehen deutliche Vorbehalte, Daten zum eigenen Fahrverhalten an eine dritte Partei weiterzugeben.
Für den Handel bietet Telematik die Chance, Kunden noch
wirksamer zu binden und dauerhaft zu loyalisieren. Die in
neueren Serienfahrzeugen bereits ab Werk integrierte Konnektivität sichert dem Vertragshandel prinzipiell den Erstzugriff auf
den Kunden. Es ist absehbar, dass sich der Serviceprozess durch
Telematik deutlich verändert. Aufgrund der nun bereits vor der
ersten Kontaktaufnahme umfangreich vorliegenden Informationen werden sich Fahrzeugannahme und -übergabe deutlich
verkürzen, da viele Fragen im Vorfeld geklärt werden können.
3. OMNI-/CROSS-CHANNEL & PARTNERSCHAFTEN: „FULL-SERVICE-AGENT ÜBERNIMMT DIE SERVICEABWICKLUNG FÜR
DEN KUNDEN“
Die Angebote der Hersteller und Händler aus dem Bereich
Service, Reparatur und Zubehör werden immer transparenter
und bieten für Kunden viele Möglichkeiten, sich über unterschiedliche Kanäle zu informieren und Produkte und Dienstleistungen zu beziehen. Diesen Trend machen sich auch neue
Player auf dem Markt zunutze, drängen sich zwischen Händler
und Kunde und übernehmen als Full-Service-Dienstleister für
den Kunden die gesamte Abwicklung: von der Ermittlung des
Servicebedarfs, über die Wahl des Autohauses, der Terminvereinbarung bis hin zur Fahrzeugverbringung und Abrechnung.
Die Marktforschung hat ergeben, dass sich Kunden eine Rundumbetreuung durchaus wünschen. Allerdings verorten die
meisten Befragten diese Dienstleistung bei ihrer Vertragswerk statt. 66 Prozent der befragten Kunden geben an, dass FullService-Angebote interessant oder sehr interessant wären,
wenn diese durch die Vertragswerkstatt erbracht würde. Zeitersparnis wird sowohl von Privatkunden als auch Geschäftskunden als größter Vorteil eines solchen Angebots gesehen.
Für 54 Prozent der Händler birgt das Angebot von RundumSorglos- Paketen neues Geschäftspotenzial. Der markengebundene Handel sieht aber auch die Risiken: Wenn externe Dienstleister im Aftersales Autobesitzern das Leben erleichtern und
sämtliche Abwicklungen rund um den Automobilservice übernehmen, sehen 40 Prozent der Händler die Gefahr, dass die
Bindung Autohaus-Kunde dadurch geschwächt werden
könnte.
4. SMART CITY: „DAS AUTOHAUS KOMMT ZUM KUNDEN.
Städte werden effizienter, innovativer, und technologisch fortschrittlicher gestaltet. Dieser Trend steht im direkten Zusammenhang mit der Digitalisierung in allen Lebensbereichen und
hat Einfluss auf das Verhalten der Autohaus-Kunden besonders
in Großstädten. Im Rahmen der Marktforschung wurde abgefragt, wie interessant neue Serviceformate sind, die sich noch
stärker in den Alltag der urbanen Bewohner integrieren. Sowohl
Privatkunden als auch Geschäftskunden finden individuelle
Serviceangebote interessant, die den Zeitaufwand minimieren
und weite Wege überflüssig machen. Für derartige Services,
die nicht im Autohaus durchgeführt werden, sondern beispielsweise kundennah an definierten Orten in der City, bevorzugen
Kunden die Vertragswerkstatt als den Partner der Wahl gegenüber einem privaten Dienstleister. 61 Prozent der Kunden
wünschen sich solche Services. Der Handel erkennt bereits die
Chancen, die sich im Lebensumfeld Smart City eröffnen, und
sieht Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle (78 Prozent).
5. AUTONOMES FAHREN: „FAHRZEUG FÄHRT SELBSTÄNDIG IN DIE WERKSTATT.“
Spätestens für das Jahr 2025 rechnen Experten dann damit, dass
autonom fahrende Autos auf unseren Straßen unterwegs sein
werden. Im Jahr 2035 könnten laut Studien teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge bereits zwischen 20-35 Prozent der globalen Fahrzeugproduktion ausmachen. Vor allem im gewerblichen
Transport zeichnen sich schon heute konkrete Anwendungen
der Technologie ab. In mehreren Metropolen laufen zudem Pilotprojekte mit autonom fahrenden Fahrzeugflotten. Das hat
perspektivisch auch Auswirkungen auf den Service. Konsequent
zu Ende gedacht, könnte die technische Entwicklung zur Folge
haben, dass Autos ganz alleine ohne Fahrer in die Werkstatt
fahren.
Obwohl die Technologie bisher noch nicht kommerziell verfügbar ist, die das Auto ohne Fahrer an Bord in die Werkstatt fahren
könnte, stehen die Autonutzer einem solchen Szenario positiv
gegenüber. Vor allem junge Autofahrer unter 40 zeigen hohe
Bereitschaft für diese Möglichkeit. Die Sicherheit der Technik
vorausgesetzt wären 47 Prozent der befragten Nutzer bereit, ihr
Auto autonom zum Service fahren zu lassen.
Auch Händler zeigen sich bezüglich der Zukunftsperspektive
autonomes Fahren aufgeschlossen. 68 Prozent der befragten
Händler halten das Szenario „Auto fährt alleine in die Werkstatt“
schon in 10 bis 15 Jahren für möglich. Allerdings wird auch die
Gefahr gesehen, dass der direkte Kontakt zum Kunden dadurch
verloren ginge. 70 Prozent befürchten weiter abnehmende
Kontaktmöglichkeiten.
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