Fit für die Smart Factory | NTT DATA

Do, 23 Februar 2023

Fit für die Smart Factory

Beim Wandel zur datengetriebenen Produktion stehen viele Unternehmen vor großen Herausforderungen. Gero Adrian, Senior Management Advisor Manufacturing bei NTT DATA, erklärt im Interview, wie sich die Rolle von Manufacturing-Execution-Systemen (MES) in der Industrie verändert hat und welche Alternativen Unternehmen für eine nachhaltige Datenarchitektur haben.

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Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Cybus und erschien zuerst im Digital Manufacturing Magazin.

Digital Manufacturing (DM): Was waren die ursprünglichen Funktionalitäten eines MES? GERO ADRIAN: Ein MES ist eine Software, die Fertigungsaufträge verwaltet und die dazugehörigen Vorgabedaten für die Produktion verfügbar macht. Es stellt die anfallenden Daten aus der Produktion für übergeordnete IT-Systeme wie beispielsweise ein ERP (Enterprise Resource Planning) bereit. Es optimiert also Produktionsprozesse, weil es eine einzige Quelle für bestimmte Fertigungs- und Produktionsinformationen ist. In den letzten 30 Jahren hat sich dieses Umfeld jedoch radikal verändert: Der ursprüngliche Gedanke des MES als monolithisches Softwaresystem steht dadurch unter großem Druck.

DM: Ist ein herkömmliches MES dann noch eine sinnvolle Investition für moderne Produktionsprozesse? GERO ADRIAN: In den meisten Fällen eher nicht. Denn einige Funktionen des MES werden heutzutage oft durch das ERP-System übernommen, zum Beispiel mit einem Plantafel-Modul oder Funktionsmodulen wie SAP PCo. Und auch Datensysteme aus den unteren Ebenen der Automatisierungspyramide übernehmen bereits viele MES-Funktionen. Beispielsweise gibt es mittlerweile intelligente Module der Roboterhersteller wie von Fanuc, die ihre eigene Maschinendatenerfassung (MDE) mitbringen. Für die Digitalisierung der Fabrik bleiben dem MES somit nur noch wenige, auf die jeweilige Produktion zugeschnittene Teilelemente der Produktionsplanung.

DM: Wann passt ein MES im ursprünglichen Sinne nicht mehr zu den Produktionsprozessen von heute? GERO ADRIAN: Ich lokalisiere die verschiedenen Szenarien gerne auf einer Skala, die die Produktionskomplexität beim Kunden beschreibt. Schauen wir uns zunächst den weniger komplexen Fall eines Topf- Herstellers an: Bei einem tiefgezogenen Rohling geht die Ablaufplanung über ein ERP-System. Die Rohlinge, die Griffe, die Deckel oder die Lackierung werden durch Roboter und automatisierte Transportsysteme erledigt. Hier ist die Prozess- und Planungstiefe durch die niedrige Anzahl an Produktionsschritten recht gering. Dafür reicht ein lokales System zur Datenverteilung, also ein lokaler Broker. Der ist sehr preiswert, leistungsstark und schnell zu erweitern.

Und dann gibt es hochkomplexe Szenarien, zum Beispiel die Herstellung eines Automatik-Getriebes. Für die Montage werden 30 bis 40 verschiedene Maschinen benötigt, um hunderte von Einzelteilen zusammenzubauen. Soll diese Herstellung durch ein MES gesteuert werden, dauert die Kopplung des MES an die Maschinenstraße und das Aufsetzen der Feinplanung etwa vier Monate. Einmal aufgesetzt, ist diese Struktur sehr aufwändig anzupassen. Um weiterhin Flexibilität und Anpassung, zum Beispiel an Lieferengpässe, zu gewährleisten, raten wir deswegen alternativ zu einer ereignisgesteuerten Architektur. Hier werden alle relevanten Komponenten und Strukturen nach Bedarf flexibel miteinander kombiniert; beispielsweise wird ein neuer Montageauftrag mit allen Informationen aus MES und ERP ergänzt. Das heißt, die tatsächlichen Zustandsveränderungen im Prozess treiben den Geschäftsprozess voran.

Technisch eignet sich dafür ein unternehmensweiter, globaler Broker wie Kafka. Die einzelnen ‚Ereignisse‘, das heißt Datenobjekte, werden gemäß der gewünschten Businesslogik verarbeitet und dann flexibel in der gesamten Enterprise-IT (CRM, PLM, ERP) verteilt. Damit bricht das rigide ISA-95-Modell auf. In diesen Fällen ist das MES nicht nur obsolet, sondern es wäre sogar die schlechtere Wahl.


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