Vom Ladepunkt zur Systemarchitektur – warum Technik allein nicht reicht
Die Elektromobilität ist längst kein Zukunftsthema mehr. Gerade Elektromobilität zeigt eine dynamische Entwicklung: Die Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge steigen, politische Rahmenbedingungen wie der EU-Green-Deal setzen klare Ziele, und Unternehmen investieren zunehmend in nachhaltige Mobilitätslösungen.
Ein häufiger Grund: Ladeinfrastruktur wird oft als reines Bau- oder IT-Projekt verstanden – als Installation von Ladesäulen, ergänzt durch ein Software-Backend. Was dabei übersehen wird: Ladeinfrastruktur ist ein komplexes, digitales System. Sie betrifft nicht nur Technik, sondern auch Prozesse, Datenflüsse, regulatorische Anforderungen und strategische Entscheidungen. Wer Ladeinfrastruktur erfolgreich gestalten will, muss sie als Transformationsprojekt begreifen – nicht als technische Einzelmaßnahme.
Die unterschätzte Komplexität: Was hinter CPMS, Roaming und Co. steckt
Ein zentrales Element jeder Ladeinfrastruktur ist das sogenannte CPMS – das Charge Point Management System. Es ist das digitale Herzstück, das Ladevorgänge steuert, Ladepunkte überwacht und mit anderen Systemen kommuniziert. Doch ein CPMS allein reicht nicht aus.
Damit Ladeinfrastruktur wirklich funktioniert, braucht es ein Zusammenspiel mit weiteren Komponenten:
- Roaming-Plattformen ermöglichen es Nutzer:innen, auch bei Ladepunkten anderer Anbieter zu laden – vergleichbar mit dem Mobilfunkroaming im Ausland. Ohne Roaming ist eine flächendeckende Nutzung kaum möglich.
- ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) sind zentrale Unternehmenssysteme für Buchhaltung, Controlling oder Personal. Sie müssen mit dem CPMS verbunden sein, um z. B. Ladevorgänge korrekt abzurechnen oder in die CO₂-Bilanz einzubeziehen.
- Abrechnungssysteme müssen flexibel genug sein, um verschiedene Nutzungsszenarien abzubilden – etwa das Laden zu Hause, am Arbeitsplatz oder unterwegs. Besonders bei Flotten oder Dienstwagen ist das eine Herausforderung.
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie diese Komplexität gelöst werden kann: Ein mittelständischer Ladeinfrastrukturbetreiber mit über 150 Ladepunkten hatte mit Systeminstabilität, fehlender Roaming-Anbindung und eingeschränktem Reporting zu kämpfen. NTT DATA übernahm die komplette Neuausrichtung – von der Anforderungsaufnahme über die Bewertung geeigneter Anbieter bis zur Live-Migration und Integration in das bestehende ERP-System. Das Ergebnis: deutlich weniger Störungen, stabile Systemverfügbarkeit und eine skalierbare Basis für weiteres Wachstum.
Regulatorik als Innovationstreiber – nicht als Pflichtübung
Mit der europäischen AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) und der deutschen LSV (Ladesäulenverordnung) steigen die Anforderungen an Ladeinfrastruktur deutlich. Betreiber müssen unter anderem:
- transparente Bezahlsysteme anbieten (z. B. kontaktloses Zahlen mit Kreditkarte),
- standardisierte Datenformate verwenden (für Interoperabilität),
- und Roaming-Fähigkeit sicherstellen.
Diese Vorgaben werden oft als bürokratische Hürde wahrgenommen – dabei sind sie in Wahrheit ein Innovationsmotor. Denn sie schaffen Standards, die echte Interoperabilität ermöglichen. Wer diese Anforderungen frühzeitig integriert, kann Ladeinfrastruktur als differenzierbares Produkt gestalten: mit nutzerfreundlichen Apps, dynamischen Tarifen und ESG-konformem Reporting.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Logistikunternehmen benötigte eine skalierbare Lösung für das Laden an verschiedenen Orten – im Depot, zu Hause und unterwegs. Zusätzlich sollte die Abrechnung der Ladevorgänge fahrerbezogen erfolgen. NTT DATA entwickelte eine Ladestrategie mit TCO-Modellen (Total Cost of Ownership), Rückerstattungskonzepten und der Auswahl passender E-Mobility Provider (EMP). Das Pilotprojekt mit 25 Fahrzeugen war erfolgreich – die Skalierung ist bereits geplant.
Strategische Beratung statt Tool-Auswahl – was Unternehmen wirklich brauchen
Viele Ladeprojekte starten mit der Auswahl eines CPMS oder eines Hardwareanbieters. Doch das greift zu kurz. Was Unternehmen wirklich brauchen, ist ein strategischer Blick auf das Gesamtsystem:
- Welche Nutzergruppen sollen eingebunden werden (z. B. Mitarbeitende, Kund:innen, Gäste)?
- Wie sieht ein nachhaltiges Betriebsmodell aus?
- Welche regulatorischen Anforderungen gelten – heute und morgen?
- Wie lassen sich Ladeinfrastruktur, IT-Systeme und ESG-Strategien sinnvoll verknüpfen?
Ein OEM (Fahrzeughersteller) beauftragte NTT DATA mit der Entwicklung eines eigenen Backends für Ladeangebote im B2B- und B2C-Bereich. Die Lösung: eine mandantenfähige Plattform auf Basis von Microsoft Azure, mit White-Label-Fähigkeit, Roaming, Fahrzeugintegration und Zahlungsabwicklung. Das MVP (Minimum Viable Product) war in sechs Monaten live – und bereits für den EU-Markt ausgerollt.
Auch der Betrieb will durchdacht sein: Ein Tech-Unternehmen mit über 50 Ladepunkten suchte Unterstützung für Monitoring und Incident Management. NTT DATA stellte ein 24/7-Betriebsmodell mit Eskalationsprozessen, Remote-Wartung und SLA-Tracking bereit. Das Ergebnis: stabile Betriebsbasis, hohe Nutzerzufriedenheit und minimale Ausfallzeiten.
Fazit: Ladeinfrastruktur als strategisches Asset begreifen
Ladeinfrastruktur ist kein Bauprojekt. Sie ist ein strategisches Asset – digital, modular und tief integriert in die Unternehmensarchitektur. Wer Ladeprojekte erfolgreich umsetzen will, muss Technik, Prozesse, Daten und Regulatorik zusammendenken.
Die gute Nachricht: Mit einem ganzheitlichen Beratungsansatz lassen sich diese Herausforderungen meistern. Ladeinfrastruktur wird so nicht nur zum Enabler für Elektromobilität – sondern zum Treiber für Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue Geschäftsmodelle.