Die Welt der Geschäftsprozesse verändert sich – und das rasant. Nach dem Übergang von manuellen Abläufen zu weitreichender Automatisierung betreten wir nun mit Agentic AI ein völlig neues Kapitel. Es markiert einen tiefgreifenden Wandel in den Business Process Services (BPS).
An die Stelle starrer Skripte und regelbasierter Bots treten jetzt KI-Agenten, die eigenständig Entscheidungen treffen, sich situativ anpassen, miteinander kooperieren und Ergebnisse liefern – ganz ohne permanente menschliche Begleitung. Damit machen Unternehmen den Schritt von reiner Automatisierung hin zu intelligenten Workflows, die sich dynamisch an neue Bedingungen anpassen.
Lassen Sie uns genauer betrachten, welche Chancen sich daraus ergeben – und wie Unternehmen bereits heute davon profitieren.
Die nächste Evolutionsstufe der Business Process Services
Wir haben in den vergangenen Jahren eine Welle der digitalen Transformation nach der anderen erlebt: erst die umfassende Digitalisierung, dann die robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA), gefolgt von KI-gestützten Analysen. Die nächste Welle ist noch mächtiger – Services as Software (SaS).
Bei SaS übernehmen nicht länger Menschen die Arbeit, sondern Systeme. Wie Software sind sie modular, skalierbar, abonnementbasiert und lassen sich über APIs (Application Programming Interfaces) nahtlos integrieren. Anstatt Arbeitsstunden zu verkaufen, können Unternehmen jetzt gebündelte, ergebnisorientierte Services anbieten, die sofort einsatzbereit sind.
Der entscheidende Baustein: Agentic Business Process as a Service (BPaaS). Hier führen KI-Agenten komplette Geschäftsprozesse von Anfang bis Ende aus, ohne manuelle Übergaben oder Wartezeiten, bis jemand auf Informationen reagiert oder auf den „Weiter“-Button klickt.
Es ist wie der Sprung vom klassischen Taxidienst, bei dem ein Fahrer unverzichtbar ist, hin zum selbstfahrenden Auto, das den Weg kennt, Staus umgeht und die Route in Echtzeit optimiert.
Dienstleistungen neu gedacht: Von linear zu dynamisch?
Über Jahrzehnte hinweg wurden Services linear skaliert: Mehr Volumen bedeutete automatisch mehr Personal. Je mehr Kund:innen, desto mehr Mitarbeitende mussten eingestellt werden, um die Arbeitslast zu stemmen und die Servicequalität zu sichern.
Heute sieht die Kurve anders aus: Das Volumen steigt, aber die Belegschaft wächst nicht zwangsläufig mit.
Ein Beispiel: In einem Shared Services Center bedeutete ein höheres Rechnungsvolumen traditionell die Einstellung zusätzlicher Sachbearbeiter:innen. Mit Agentic AI hingegen kann ein intelligenter Agent Rechnungen automatisch erfassen, mit Bestellungen abgleichen, Unstimmigkeiten markieren und unter definierten Bedingungen sogar Zahlungen freigeben – ohne menschliches Zutun.
Da diese Services modular und API-fähig sind, lassen sie sich flexibel nach Bedarf abrufen: Rechnungsabgleich? API aufrufen. Schadensbewertung? Andere API. Jeder Service wird so zu einem vorgefertigten Baustein, den Unternehmen kombinieren und skalieren können.
Das Ergebnis: mehr geschäftliche Agilität, schnellere Amortisation und Services, die weniger wie langfristige Outsourcing-Projekte wirken, sondern wie Plug-and-Play-Digitalprodukte.
Neue Bereitstellungsmodelle: Agentic BPaaS trifft SaS
Man kann es sich so vorstellen: Agentic BPaaS ist der Motor, SaS das Armaturenbrett.
- Der Motor (BPaaS): Hier arbeiten die KI-Agenten. Sie erledigen komplette Prozesse von Anfang bis Ende – gesteuert durch Ziele statt durch starre Regeln.
- Das Armaturenbrett (SaS): Hier greifen Unternehmen auf diese Funktionen zu. Vergleichbar mit einem Streaming-Dienst, bei dem Sie Ihre bevorzugten Module auswählen.
Anstatt einen mehrjährigen Managed-Services-Vertrag für das Kunden-Onboarding abzuschließen, können Sie heute ein Onboarding-Modul abonnieren, in welchem ein Agent Dokumente prüft, Konten einrichtet und Willkommensnachrichten versendet.
Der Vorteil: Sie konzentrieren sich auf das „Was“ – Ihre geschäftlichen Prioritäten, während die Agenten das „Wie“ übernehmen – schnell, präzise und sicher.
Mehrwert durch Agentic AI: Von starren Prozessen zu flexibler Intelligenz?
Traditionelle Business Process Services stützten sich bislang auf Skripte, Templates und vordefinierte Automatisierungen, besonders in Contact Centern und Backoffices. Der Mitarbeitende folgte einem festen Gesprächsleitfaden, ein Bot bearbeitete Rechnungen immer nach demselben Muster. Doch sobald etwas Unerwartetes geschah, kam der Prozess ins Stocken und erforderte menschliches Eingreifen.
Agentic AI durchbricht diese Grenzen, zum Beispiel:
- Im Contact Centers: KI-Agenten fassen Anrufe zusammen, lösen Anliegen eigenständig und eskalieren nur, wenn menschliches Urteilsvermögen notwendig ist.
- Bei Versicherungen: KI-Agenten prüfen Anspruchsberechtigungen in Echtzeit, bewerten Schäden und stoßen Auszahlungen automatisch an.
- Im Finanzwesen: KI-Agenten gleichen Konten ab, markieren Anomalien, aktualisieren Hauptbücher und erzeugen zugleich einen vollständigen Audit-Trail.
- In HR: Von Onboarding über Mitarbeiterwohlbefinden bis zur CV-Prüfung – Agentic AI macht die Personalabteilung zu einem Service-Hub, der rund um die Uhr reagiert.
Als Kunde von NTT DATA konnte ein Versicherungsunternehmen die Bearbeitungszeit von Schadensfällen um 40 Prozent senken und gleichzeitig die Treffsicherheit der Lösungen um 30 Prozent steigern.
Das ist kein kleines Effizienz-Update – das ist echte Transformation.
3 entscheidende Schritte vor dem Einstieg in Agentic AI
Bevor Unternehmen Agentic AI in ihren Business Process Services einsetzen, gilt es, drei zentrale Voraussetzungen zu schaffen:
- Klare Zielorientierung: Geht es darum, Geschwindigkeit zu erhöhen, Kosten zu senken oder die Customer Experience zu verbessern? Unterschiedliche Ziele erfordern unterschiedliche Ansätze. Wer seine Prioritäten im Vorfeld definiert, spart Ressourcen und richtet die KI-Agenten von Beginn an auf die richtigen Ergebnisse aus.
- Datenverfügbarkeit sicherstellen: Intelligente Agenten benötigen vollständigen, aktuellen Kontext. Ohne Zugriff auf präzise Echtzeitdaten treffen selbst modernste KI-Systeme fehlerhafte oder unvollständige Entscheidungen.
- Zusammenarbeit statt Ersatz: Menschen bleiben unverzichtbar. Die Rolle der KI ist es, repetitive Aufgaben zu übernehmen, während Mitarbeitende Ausnahmen managen und strategische Impulse setzen. Diese Balance sorgt für Flexibilität und ermöglicht es, menschliche Expertise gezielt dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert schafft.
Die wahre Stärke von Agentic AI liegt nicht nur in der Automatisierung – sondern in der adaptiven Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.
5 Erfolgsfaktoren für Ihre Agentic-AI-Roadmap
Wer Agentic AI in seine Geschäftsprozesse integrieren will, braucht einen klaren Fahrplan. Diese fünf Faktoren bilden den Rahmen:
- Wirkungsvolle Anwendungsfälle priorisieren: Starten Sie dort, wo Automatisierung den größten Mehrwert bringt – sei es durch Zeitersparnis oder Effizienzsteigerung. Frühe Erfolge schaffen Dynamik und erhöhen die Akzeptanz im Unternehmen.
- Rollen und Eskalationswege definieren: Legen Sie fest, welche Aufgaben Agenten übernehmen und wann sie an Menschen übergeben. Klare Zuständigkeiten vermeiden Reibungsverluste und erleichtern die Zusammenarbeit zwischen KI und Mitarbeitenden.
- Governance für Sicherheit und Vertrauen etablieren: Schaffen Sie Leitplanken für Compliance, Datenschutz und den ethischen Einsatz von KI. Eine robuste Governance gibt Stakeholdern die Sicherheit, dass Innovation nicht zulasten von Integrität und Sicherheit geht.
- Module für Skalierbarkeit entwickeln: Bauen Sie Services als eigenständige Komponenten, die unabhängig weiterentwickelt werden können. So lassen sich Funktionen flexibel ergänzen oder austauschen, ohne das Gesamtsystem zu beeinträchtigen.
- Ergebnisse kontinuierlich messen: Prüfen Sie den Fortschritt regelmäßig anhand von ROI und KPIs. So können Strategien rechtzeitig angepasst werden, bevor kleine Hindernisse zu großen Blockaden werden.
Kurz gesagt: Think big, start smart, scale with confidence.
Praxisbeispiel: Schadensbearbeitung in Rekordzeit
Ein globaler Versicherungsanbieter benötigte bislang durchschnittlich zehn Tage, um Schadensfälle zu bearbeiten. Der Prozess war geprägt von zahlreichen Übergaben, manuellen Dokumentenprüfungen und endlosen Rückfragen an Kund:innen.
Mit der Einführung eines Agentic-AI-Schadensbearbeiters änderte sich das Bild grundlegend: Kund:innen laden ihre Schadensunterlagen nun online hoch. Innerhalb weniger Minuten prüft der KI-Agent die Vollständigkeit der Dokumente, führt eine Betrugserkennung durch und gleicht die Versicherungsdetails ab. In nur wenigen Stunden wird der Fall entweder automatisch zur Auszahlung freigegeben oder – falls erforderlich – an eine:n Mitarbeitende:n zur Ausnahmeprüfung weitergeleitet.
Das Ergebnis: Die durchschnittliche Bearbeitungszeit sank von zehn Tagen auf einen einzigen Tag. Kund:innen profitieren von einer schnelleren Abwicklung, Mitarbeitende verbringen weniger Zeit mit Routineaufgaben und das Unternehmen kann mehr Anträge bearbeiten, ohne zusätzliches Personal einzustellen.
Lassen Sie uns neu definieren, was möglich ist
Bei Agentic AI geht es nicht nur um „schneller“ oder „kostengünstiger“. Es geht darum, Unternehmen intelligenter und anpassungsfähiger zu machen und so Geschäftsprozesse nachhaltig zu modernisieren und zu beschleunigen.
Der Wandel von starren Abläufen hin zu intelligenter Orchestrierung ermöglicht digitale Services, die flexibel reagieren und Ergebnisse mit minimalen Reibungsverlusten liefern.
Diese Transformation ist längst im Gange. Die Frage ist nicht ob – sondern wie schnell Sie sie für sich nutzen.
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